Tskaltubo – die Stadt der Widersprüche

der erste Eindruck in Tskaltubo
der erste Eindruck in Tskaltubo

Ich fragte meine Gastgeberin am Abend bevor ich Tskaltubo besuchen sollte, was man denn noch um Kutaissi machen könnte. Ich hatte mir an diesem Tag Gelati (den Beitrag findest du hier) angeschaut und suchte nun etwas für den nächsten Tag.
Sie fragte mich nach meinen Interessen und empfahl mir dann Tskaltubo, eine Mineralwasserstadt mit alten, verfallenen Gebäuden.

Im weiteren Gespräch erzählte mir dann meine Gastgeberin von der Legende um Tskaltubo:
Laut dieser kam ein Hirte in die Stadt und fand durch Zufall eine Art Pumpe, die warmes Wasser förderte. Der Hirte legte sich in das Wasser und empfand eine unbekannte Linderung seiner Rheuma-Erkrankung. Daher ist das Wasser als besonders mineralreich und gesundheitsfördernd bekannt.

Während der Sowjetunion war die Stadt daher einer der bedeutendsten Kurorte. Es wurden einige sehr imposante Badehäuser (unter anderem auch für Stalin) gebaut. Nach dem Zusammenbruch der Union wurden diese allerdings nicht mehr genutzt. Seid dem zerfallen die Badehäuser und bieten heute (teilweise sogar noch bewohnte) Ruinen, die an frühere Zeiten erinnern.

Das klang super spannend und mein Interesse war geweckt.
Ich fragte Sie noch wie ich dort hin komme und recherchierte online. Es war jedoch kaum etwas zu finden. Dennoch beschloss ich, den morgigen Tag dort zu verbringen.
Ich habe mir vor meinen Besuch einige Orte rausgesucht und auf der Karte markiert. Viele weitere Ecken habe ich dann aber auch einfach durch herumlaufen gefunden.
Zu den „Must See“ gehört auf jeden Fall das Hotel Sakartvelo, Badehaus No. 5, Tskaltubo Hity Hall und Sanatorium Iveria. Die genauen Standpunkte der „privaten“ Wohnhäuser möchte ich hier lieber nicht nennen, da dort noch Menschen leben und das deren private Wohnadresse ist. Ich denke, man kann verstehen, dass ich nicht schreiben möchte, geht zu dieser Adresse, da könnt ihr X und Y sehen. Das wollte ich mit meiner Adresse auch nicht.

Die „Anreise“ gestaltete sich sehr einfach:
Nach Tskaltubo kommt man mit dem Bus, der ab der White Bridge fährt. Es ist ein öffentlicher Bus und kostet daher nur 3 Lari (~0.9€) pro Fahrt. Man fährt etwa 30 Minuten. Zurück geht es von der gleichen Stelle, an der man in Tskaltubo ankommt. Es schien, als würden in dem Bus nur Einheimische sitzen und auch den Tag über traf ich kaum andere Touristen. Tskaltubo gehört für mich auf jeden Fall noch zu den absoluten Geheimtipps in Georgien.

Ich hatte mir vorher auf einer Karte angeschaut, was ich dort anschauen könnte. Die kleine Stadt ist größtenteils um eine große und gepflegte Parkanlage erbaut, in der auch einige zerfallene und noch benutze Badehäuser zu finden sind. Daher war mein Plan die Stadt rund um den Park zu erkunden. Gesagt, getan.

So stolperte ich erstmal aus dem Bus, der mich nach Tskaltubo brachte, lehnte reflexartig eine weitere Fahrt ab, die mich (so weit mich meine Erinnerung nicht trübt) in einen der Canyons bringen sollte und machte mich auf zu den zerfallenen Gebäuden.

Durch Zufall fand ich dann das „Sanatorium Iveria“, ein recht altes, imposantes Gebäude. Ich huschte voller Neugier still und leise durch den Zaun.
Man sah, dass das Gebäude schon einige Zeit sich selbst überlassen wurde, da die Natur schon in das Gebäude eingezogen war. Dennoch wirkte das Gebäude in seiner Größe.

Weiter ging es dann durch einige Seitenstraßen. Von den Einheimischen wurde ich angeschaut, als wäre ich ein Pferd und ich fühlte mich teilweise auch wie ein Eindringling.

In der Parkanlage sind dann einige alte Ruinen zu finden, wie auch das „Badehaus No. 5“. Ich mochte dieses Gebäude mit am liebsten. Der runde Aufbau des Gebäudes und die Wandmalereien waren sehr schön. Auch konnte man noch Reste alter Farben sehen. In der Mitte des Gebäudes hatte bereits ein Feigenbaum seine Wurzeln geschlagen und begonnen zu wachsen. Ich verbrachte hier sehr lange, da die Ruhe dieses Gebäudes einfach entspannend war.

Ich hatte mir etwas zu Essen mitgenommen und aß auf einer der Bänke in dem Park, direkt vor dem Rathaus der Stadt. Das Rathaus ist super schön hergerichtet und sieht absolut nicht verfallen aus. Das habe ich als stärksten Widerspruch in Erinnerung. Die Leute, denen man ansieht, wie arm sie sind und dann daneben ein super schickes Rathaus.

das Rathaus in Skaltubo
das Rathaus in Skaltubo

In Georgien findet man immer wieder deutliche Widersprüche. So empfand ich diese große, schöne Parkanlage im Gegensatz zu den rings herum liegenden Gebäuden und Straßen als komplett gegensätzlich.
Rings um den Park ist alles eher altertümlich und auch den Menschen sieht man an, dass sie sehr arm sind. Dahingegen zeugt der Park etwas völlig anderes. Der Park ist sauber, überall stehen Mülleimer und Bänke, es gibt gepflegte Blumenbeete und sogar Spielplätze und Fahrradständer.
Dahingegen leben die Leute teilweise noch in den alten Gebäuden, wie beispielsweise im Hotel Sakartvelo. Man sah dem Gebäude an, dass es schon einige Jahre auf dem Buckel hat. Das fand ich schon sehr erschreckend.

Weiter ging es dann zum „Hotel Sakartvelo“, dass sogar noch bewohnt ist. Das Hotel ist ein riesiger Gebäudekomplex, an einer Anhöhe erbaut, der nur erahnen lässt, wie pompös diese Stadt mal war und mit wie vielen Gästen und Besuchern gerechnet wurde.

Man sah dem Gebäude mittlerweile allerdings an, dass es die besten Tage bereits hinter sich hat. Einige Fenster zeigten schwarze Rußflecken, andere Fenster gab es gar nicht mehr und waren nur notdürftig repariert. Um die Bewohner nicht zu bedrängen bin ich hier nur vorbei gelaufen.
Allein an diesem Gebäude sah man, wie arm die Menschen dort sind. Ich hatte das Gefühl, umso weiter man von einer größeren Stadt weg ging, desto ärmer wurden auch die Menschen.

das ehemalige Hotel Sakartvelo, das heute noch als Wohnhaus genutzt wird
das ehemalige Hotel Sakartvelo, das heute noch als Wohnhaus genutzt wird

Ich hatte ja schon berichtet, dass in Georgien die Menschen eher zurückhaltend (außer du bist bei ihnen zu Hause zu Gast) sind. So wurde ich dann in Tskaltubo von einem Honigverkäufer vollkommen überrascht. Ich war gerade auf der Suche nach dem nächsten Gebäude, als ich an einigen Straßenverkäufern vorbei ging. Einer hatte mich angesprochen und ich lehnte schon aus Reflex ab, da ich nichts kaufen wollte. Der Verkäufer war jedoch etwas penetranter und versuchte mir mit Hand und Fuß deutlich zu machen, dass ich kurz warten sollte. Er drehte sich um und füllte in seinem Auto in eine kleine Flasche etwas Honig ein und gab sie mir zusammen mit einem Löffel. Ich probierte den Honig und wollte ihm die Flasche zurück geben, doch er deutete an, ich solle sie behalten. Ich freute mich sehr über diese nette Geste. Leider konnte der Verkäufer nur sehr wenig englisch, dennoch unterhielten wir uns noch und ich erzählte ihm, dass ich aus Deutschland komme.
Ich empfand diese Tat als unglaublich toll und dachte, dass auch hier der Spruch „umso ärmer der Mensch, desto größer das Herz“ vollkommen zutrifft.

auch den Hunden geht es in Tskaltubo nicht gut
auch den Hunden geht es in Tskaltubo nicht gut

Doch nicht nur den Menschen geht es dort deutlich schlechter, auch den Tieren sieht man die Armut an. So sind die Straßenhunde beispielsweise in den Städten meist gut genährt und auch ihr Fell sieht gut aus. In Tskaltubo hingegen habe ich sehr viele Hunde gesehen, denen es überhaupt nicht gut ging. Eine kleine Hündin, die ich ganz am Ende traf hat es mir besonders angetan und es stimmt mich bis heute sehr traurig, wenn ich an sie denke.
Man sollte vielleicht dazu erwähnen, dass meine Hündin Jana selbst aus einer Tötungsstation aus Spanien stammt und eine unglaublich Liebe und Dankbare ist.
So kam die Kleine zu mir um zu schauen, ob ich nicht etwas zu Essen übrig habe. Beim Laufen hinkte sie stark, da sie mit einem Bein nicht auftreten konnte. Auch hatte sie einige offene Stellen mit getrocknetem Blut und war sehr dünn. Ich gab ihr von meinem restlichen Essen ab. Die Hündin hat es mir sehr angetan und ich hätte sie am liebsten mitgenommen.
Das ist für mich die Schattenseite, von ehemaligem Prunk, aus einer vergangenen Zeit. Menschen und Tiere leiden.

Dennoch behalte ich den Ausflug nach Tskaltubo als einer der Highlights meiner Georgien-Rundreise in Erinnerung. Die alten Gebäude sind auch in ihrem zerfallenen Eindruck sehr beeindruckend und ich empfand sie als sehr schön, teilweise auch etwas magisch. Diese alte Mineralwasserstadt hat es mir besonders angetan.

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